Uda von der Nahmer – Weihnachtserinnerungen (Teil 1)

Unsere Altäbtissin Uda von der Nahmer erinnert sich an die Weihnachtszeit ihrer bürgerlichen Kindheit in Aurich in den Jahren 1950 bis 1960

Eine unübersehbare Spur, irgendwann an einem frühen Morgen im Dezember entdeckt, machte von Jahr zu Jahr darauf aufmerksam, dass Weihnachten nahte. Sie lag, silbrig glänzend und unübersehbar auf der Treppe zu meinem Kinderzimmer, war viel mehr als nur der Rest einer zerbrochenen Weihnachtskugel: Zeichen, geheimnisvoll, wie hingeweht, einfach wundervoll.

Mit ihr begann meine liebste Jahreszeit, eine Spirale sich stetig steigernder Reize, eine Zeit der Geheimnisse, der Kälte und der Wärme, des Lichtes und der Kerzen, der Weihnachtsplätzchen und ihrer Aromen: Kardamom, Zimt, Anis, Piment und Nelken. Es begann die Zeit des Tuschelns, des Auswendiglernens von Gedichten und Weihnachtsliedstrophen, das Basteln und Flöten und Erdenken von Geschenken, das immerwährende neue Schreiben und Austauschen von Wunschzetteln, eine Zeit der Rituale und wiederkehrenden Erinnerungen. Weißt Du noch?

Adventszeit und unser Adventskranz
Natürlich hatten wir einen Adventskranz. Er war aus Tannengrün, hatte vier rote Kerzen und hing über dem Wohnzimmertisch. Vier rote Schleifenbänder endeten in einem roten Band, das an einem Haken an der Decke festgemacht war. Dadurch konnte der Kranz sich leicht drehen, wenn man ihm einen kleinen Stups verpasste, und der Schatten der Kerzen wanderte im dämmrigen Zimmer an den Wänden entlang.

Für mich war jahrelang ein Adventskranz ohne wandernde Schatten kein Richtiger. Wir Kinder besaßen sogar einen eigenen Adventskranz, den unser Onkel Heini für uns gebastelt hatte. Er war aus Sperrholz gesägt, mit einer goldenen Zierleiste versehen, auf ihm standen im Kreis verteilt abwechselnd zwei Weihnachtsmänner und zwei Engel. So folgte immer ein Weihnachtsmann einem Engel oder ein Engel einem Weihnachtsmann, je nach Stimmungslage. Die Weihnachtsmänner hatten ein rotes Mäntelchen an und einen Weihnachtsbaum unterm Arm, die Engel ein himmelblaues Kleid an und eine andächtige Haltung. An vier Fäden baumelten unter dem Kranz ausgesägte und bemalte weihnachtliche Motive. Dieser Adventskranz hing in der Diele vor meinem Kinderzimmer in der Sedanstraße. Vorm Schlafengehen zündeten meine Mutter oder mein Vater Kerzen darauf an, gaben ihm einen kleinen Stups, ließen meine Zimmertür halb auf, so dass ich im Dunkeln die Weihnachtsmänner, von den Kerzen angestrahlt, gefolgt von den Engeln als Schatten, an der Wand lang marschieren gehen sah. Das war schön und geheimnisvoll, beruhigend und daher sehr einschläfernd.

Es hieß, dass Onkel Heini uns Kindern diesen Adventskranz in russischer Kriegsgefangenschaft gebastelt hätte. Dadurch bekam er eine ganz besondere Bedeutung. Ich stellte mir vor, wie er mit gefrorenen Händen, in einer Baracke irgendwo im kalten Russland, an Hunger leidend, diesen Kranz für seine Nichten und Neffen gesägt hatte. Wo er wohl die Farben herbekommen hatte? Dadurch begleiteten diesen Adventskranz zusätzlich besondere Bilder. Aber ich hatte da wohl einiges falsch verstanden, wie sich in späteren Jahren herausstellte. Da hörte ich, dass Onkel Heini den Adventskranz evtl. schon vor Kriegsbeginn oder aber nach seiner Rückkehr aus seiner Kriegsgefangenschaft in Emden gemacht hätte.

Das wollte ich aber nicht so gerne hören. Und außerdem: so ganz sicher ist sich niemand…

Adventskalender
Meine Geschwister und ich besaßen noch aus Kriegszeiten einen Adventskalender, eigentlich ein Adventshaus, an dem wir abwechselnd ein Türchen aufmachen durften. Er hing am Fenster, und es war wirklich das allerhöchste, „dran“ zu sein. Irgendwie war er vornehm und voll Würde, so ganz anders als die Glitzer-Glimmerdinger meiner Freundinnen. Nach Weihnachten wurden die Türchen wieder geschlossen, der Kalender beschwert oder etwas platt gesessen, damit auch im nächsten Jahr wieder Spannung auf den Fenstern war.

Fortsetzung folgt …..


r


Schreibe einen Kommentar

Stift Fischbeck