Um eine wahre Geschichte wahrhaftig zu erzählen, muss man immer – mittendrin, in der Mitte beginnen … An Weihnachten werden wir wieder von den Hirten erzählen, die nachts ihre Herde bewachten. Doch das war ja nicht die erste Nacht der Hirten auf den Feldern. Sie waren auf diesen Hügeln seit Generationen, lernten ihr Handwerk von ihren Vätern und lehrten es ihre Söhne. Und gewiss hatten auch die weisen Sterndeuter aus dem Osten Eltern und Vorfahren, vielleicht Kinder. Und sogar die Engel, deren Gesang die Himmel erfüllt, haben Freunde.
Die Geschichte des Einzelnen ist zugleich die Geschichte von allen, über Zeiten und Generationen hinweg. Und so ist diese wahre Geschichte, die wir in einigen Wochen wieder hören und erzählen werden, unsere Geschichte. Daher beginnen auch wir – mittendrin, bei uns selbst.
Es ist für viele Christen ein guter Brauch, im Advent die Geschichte Gottes mit den Menschen in Etappen zu lesen und für sich persönlich zu bedenken, von der Schöpfung über Abraham, Jesse, Salomo und Maria bis hin zu Johannes, dem Täufer und schließlich der Geburtsgeschichte Jesu, wie bei einem Adventskalender. In dem Bewusstsein, dass all diese Vorfahren und ihre Erlebnisse Teil der eigenen Geschichte sind. So wird auch die Weihnachtsgeschichte mit allem, was ihr vorausgeht und folgt – bis zu uns hin -, als wahrhaft wahre Geschichte hier und heute erzählt und erlebt.
Diese Haltung erklingt im Adventslied „Macht hoch die Tür“, dem allerersten Lied im Evangelischen Gesangbuch. In nur drei Strophen schaut der Dichter Georg Weißel auf seine sehr persönliche (Heils)Geschichte (in unheilvollen Zeiten) mit diesem Gott zurück. Die Frage „Wer bist du für mich?“ muss er gar nicht nennen – er antwortet gleich singend mit seinem Bekenntnis, in dem sowohl sein eigenes Leben als auch biblische Texte anklingen. Das ist seine wahre Geschichte, die Geschichte Jesu mit ihm selbst. Jede Strophe bringt es am Ende knapp „auf den Punkt“. Die erste:
„… mein Schöpfer reich an Rat.“
Wer bist du für mich, mein Gott? Verbringen wir doch diese ersten Tage des Advents damit, auf Spurensuche nach dem Schöpfer unseres Lebens zu gehen. Wo leuchtet etwas von seinem schöpferischen, weisen Wirken in meinem Leben und Alltag auf?
Wir, die Äbtissin und das Kapitel des Stiftes Fischbeck, wünschen Ihnen eine gesegnete Adventszeit 2023!