Diese Frage der Frauen am Grab Jesu trifft mich in diesem Jahr besonders: wer wird uns den Stein von der Seele wälzen,
den Stein der Verzweiflung über den festen Griff der Pandemie,
den Stein der Sorge und Angst um diesen Planeten,
den Stein der Entmutigung,
den Stein der Hoffnungslosigkeit,
den Stein der Schuld….
Ich sehe sie vor mir, die Jüngerinnen und Jünger, die Jesus gefolgt sind. Alles haben sie aufs Spiel gesetzt – ihre Familien, ihre Berufe, ihre sozialen Beziehungen, ihre materielle Sicherheit. Seinem Ruf sind sie gefolgt in dem festen Glauben, dass Gott in dieser Welt Wohnung nimmt und ein Reich des Friedens und der Gerechtigkeit anbricht.
Jesus Christus hat dieses Reich verkörpert – und nun stirbt er den kläglichen, erbärmlichen Tod wie jeder Mensch. Sein Tod reißt seinen Freunden und Freundinnen den Boden unter den Füßen weg, stellt ihre Welt auf den Kopf. Nie wieder wird es sein, wie es mit Jesus war. Nie wieder? Wo bleibt ihre Hoffnung und ihr Glaube, was ist aus der Liebe geworden?
Es trifft uns alle
In unserer Zeit stellen sich seit einem Jahr vielen Menschen genau diese Fragen. Unsere Welt hat sich auf den Kopf gestellt durch Covid 19. Nichts ist mehr wie es war.
Doch halt: sind nicht auch den vergangenen 75 Jahren, in denen wir in Europa den Frieden und die soziale Gerechtigkeit zuhause wähnten, Menschen in tiefste Umbrüche und Verwerfungen geraten? Wurden ihrer Heimat, ihrer Kultur, ihrer Familien beraubt? Jetzt trifft es uns alle – und die Armen ganz besonders.
Wer wird uns den Stein von der Seele wälzen, damit wir frei werden zur Solidarität, zur Nächstenliebe und Demut?
Die Geschichte Jesu endet nicht am Kreuz, sondern ruft zum Leben heraus – seit über 2000 Jahren.
Gebet
Noch ist es dunkel, doch wir ahnen schon, dass ein neuer Tag anbricht.
Noch fühlen wir Angst und Unsicherheit, doch wir glauben, dass die Hoffnung erwacht.
Noch leben wir umgeben vom Tod, doch in uns wächst das Leben, das jeden Tod überwindet.
Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, mit dir wollen wir das Leben wählen.
Mit dir wollen wir Steine wegrollen von den Türen, hinter denen wir lebendig begraben sind.
Mit dir wollen wir aufstehen wider alles, was das Leben hindert.
Wir rufen zu dir, wecke uns auf aus den Träumen in die Realität.
Wecke uns auf aus unseren Widerständen in die Hingabe.
Weck uns auf aus dem Konsum in die Kreativität.
Weck uns auf aus kurzsichtigem Denken zu mutigen Visionen.
Weck uns auf, damit wir auferstehen, mit dir und in dir und durch dich, der du Gottes leidenschaftliches Leben bist.
Amen
Äbtissin Katrin Woitack
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