„Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ Mk 9,24
Jahreslosung 2020
„Ich glaube“ – wie oft beginnen wir einen Satz mit diesen Worten und meinen etwas wie: „ich vermute“ oder „ich hoffe“. Wenn das neue Jahr beginnt, gibt es viele Hoffnungen, Vermutungen und Pläne, von denen wir hoffen, dass sie wahr werden. Zugleich ist uns bewusst, dass wir vieles in unserem Leben nicht in der Hand haben. Was gibt uns den Grund, dennoch auf Hoffnung hin zu planen? Weil ich glaube, dass alles gut wird.
„Ich glaube“ – Credo heißt es auf Latein
Als Vergewisserung sprechen Christen in jedem Gottesdienst das Bekenntnis des christlichen Glaubens, wie es seit den Aposteln überliefert ist. Auch wenn es in Einzelteilen dem heutigen Menschen fragwürdig ist, verbinden uns diese Worte mit den Generationen vor uns. In allen Jahrhunderten haben die Menschen Gott geglaubt und haben dennoch Zweifel gehabt. „Warum lässt Gott das zu?“ ist die bestimmende Frage bei erlittenem Leid, tragischem Unfall, verheerenden Katastrophen, unfassbarer Gewalt.
In den Notzeiten melden sich Zweifel, Anklage, Wut. Mit Gott gehadert hat schon Hiob, der moderne Mensch im Alten Testament. Das letzte Jahr hat viele große Themen gehabt, die uns betroffen gemacht haben. Ob im persönlichen Umfeld und der großen Politik: können wir glauben, dass alles gut wird? Vielleicht müssen wir anders fragen: „Bleibst du, Gott, unser Gegenüber, auch wenn wir zerstören, was du gut gemacht hast? Bleibst du, Gott, an unserer Seite, wenn wir nicht mehr weiterwissen?“ Die Theologin Dorothee Sölle hat ihren Glauben in Worte gefasst, die sich dem Unglauben widersetzen.
Ein neues, altes Bekenntnis
Credo
ich glaube an gott
der die Welt nicht fertig erschaffen hat
wie ein ding das immer so bleiben muss
der nicht nach ewigen gesetzen regiert
die unabänderlich gelten
nicht nach natürlichen ordnungen
von armen und reichen
sachverständigen und uninformierten
herrschenden und ausgelieferten
ich glaube an gott
der den widerspruch des lebendigen will
und die veränderung aller zustände
durch unsere arbeit
durch unsere politik
ich glaube an jesus christus
der recht hatte als er
„ein einzelner der nichts machen kann“
genau wie wir
an der veränderung aller zustände arbeitete
und darüber zugrunde ging
an ihm messend erkenne ich
wie unsere intelligenz verkrüppelt
unsere fantasie erstickt
unsere anstrengung vertan ist
weil wir nicht leben wie er lebte
jeden tag habe ich angst
daß er umsonst gestorben ist
weil er in unseren kirchen verscharrt ist
weil wir seine revolution verraten haben
in gehorsam und angst
vor den behörden
ich glaube an jesus christus
der aufersteht in unser leben
daß wir frei werden
von vorurteilen und anmaßung
von angst und haß
und seine revolution weitertreiben
auf sein reich hin
ich glaube an den geist
der mit jesus in die welt gekommen ist
an die gemeinschaft der völker
und unsere verantwortung für das
was aus unserer erde wird
ein tal voll jammer hunger und gewalt
oder die stadt gottes
ich glaube an den gerechten frieden
der herstellbar ist
an die möglichkeit eines sinnvollen lebens
für alle menschen
an die zukunft dieser welt gottes
amen
(Dorothee Sölle, „Erinnert euch an den Regenbogen“, S. 171f, Herder Verlag Freiburg i.B. 1999)
Wir gehen in das Jahr 2020 voller Hoffnungen und Pläne. Vielleicht erfüllt sich nicht, was wir wünschen, vielleicht kommt es ganz anders. Doch in allem dürfen wir gewiss sein, dass Gott sich für uns bereithält, selbst wenn der Unglaube sich breit macht. Er hält uns lebendig, gibt uns Menschen zur Seite und beflügelt unsere Fantasie, wenn wir uns öffnen.
Dass Sie bereit sind für gute Begegnungen, dankbares Innehalten und wunderbare Momente, dafür wünschen wir Ihnen Gottes Segen!
Ihre Stiftsdamen und Äbtissin des Stiftes Fischbeck